Sonntag, 30. Dezember 2007

Die logistische Potenz des Geldes - seine Disziplinierungskraft



Ernst Dorfner

Das Backen einer Semmel heute erfolgt im Prinzip so wie vor Jahrhunderten. Sie erfolgt jedoch auf einem ungleich höheren technisch-zivilisatorsichen Sockel an Voraussetzungen. Diese Voraussetzungen wurden durch großtechnische Strukturen geschaffen: Versorgung mit Wasser, Elektrizität, Gas, Entsorgung von Abwässern uns Abfällen, Telekommunikation, Verkehrsinfrastruktur und Transportmittel, Einrichtungen für Bildung, Gesundheitsvorsorge, Bereitstellung von Rohstoffen und Vormaterialien........ Die alles bildet einen Sockel, auf dem dann so manches so gemacht werden kann, wie Romantiker es von der Vergangenheit in das Heute projezieren. Doch sehr rasch sind sie -- und wir alle -- dann überfordert, wenn uns von den gewohnten Voraussetzungen etwas fehlt. Wenn einmal kein Wasser aus dem Wasserhahn fließt, wenn es an den sanitären Einrichtungen fehlt, wenn kein Strom da ist, ...
All diese Voraussetzungen wurden nur durch gemeinschaftliche Anstrengungen möglich, durch Ausrichtung vieler individueller Arbeitseinsätze auf gemeinsame Ziele. Solche gemeinschaftliche Anstrengungen gab es schon immer in der Geschichte des Menschen: Die Pyramiden in Ägypten und die großen Baudenkmäler anderswo zeugen davon. Wie die Logistik dieser Anstrengungen aber aussah, können wir heute nur vermuten. Vielfach - oder meist? - dürfte sie über Sklaverei und Zwangsarbeit erfolgt sein, also etwas, was heute in den hochentwickelten Ländern rechtlich ausgeschlossen und nur in Marginalien jenseits des Rechts existent ist.
Betrachtet man nun unter dieser Einsicht den technisch-zivilisatorichen Sockel, auf dem heute unser modernes Leben abläuft, so stellt sich die Frage, wie die Logistik der hierfür erforderlichen individuellen Anstrengungen zu dessen Errichtung, Erhaltung und weiteren Ausbau erfolgt. Äußerer Zwang scheint ja -- zumindest vordergründig -- zur Disziplinierung nicht mehr möglich. Diese Disziplin ist aber dennoch vorhanden. Wir alle kommen regelmäßig zur Arbeit, bemühen uns pünktlich zu sein, lernen dies schon im Kindergartenalter, erlernen unter Anstrengungen Berufe, bilden uns weiter. Wir arbeiten auch dann noch, wenn wir den Bauch voll haben und das Dach über den Kopf gesichert ist.
Was treibt uns dazu an? Wieso ist Arbeit auf einmal so sehr der Inhalt unseres Lebens, ein begehrtes Etwas, nachdem es über Jahrtausende das Ziel des Menschen war, sich der Arbeit entledigen zu können, "arbeitslos" zu sein, Arbeit auf die anderen abzuschieben?
Es ist das Geld, das uns dazu treibt. Weil es uns allen um Geld geht. Und zu diesem Geld kommen wir nur auf zwei Arten: 1. Durch Verschuldung. Und 2. Durch Lohnarbeit. Beide Arten zwingen aber zu Anstrengungen. Das eine Mal deshalb, weil der Schuldner von seinen Schulden wieder loskommen will, das zweite Mal, weil es sonst keinen Geldlohn gibt.
In beiden ist die logistische Potenz des Geldes -- oder genauer: von Kredit und Geld, zu suchen. Hier gründet die "Weltformel Geld , deren Geschichtsmächtigkeit weit über die Rolle des Geldes als schlichtes Werkzeug in der Hand des Menschen hinausgeht" (Georg Simmel). Als schlichtes Werkzeug "Tauschmittel" so wie es nicht nur die Neoklassiker sehen, die das System erhalten wollen, sondern auch allzu viele Geldreformer. Die damit aber auch nicht sehen können -- oder wollen --, was sie mit ihren auf unzureichenden Einsichten basierenden Geldreformen bewirken könnten. Und die deshalb in der Pflicht sind, zumindest nachzuweisen, dass obige Einsichten unzutreffend sind. Allzu viel steht ja hier bei sozialen Experimenten auf dem Spiel.

Keine Kommentare: